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Der Achtgliedrige Weg des Raja Yoga: Eine Reise zu innerer Weisheit und spirituellem Wachstum

Raja Yoga ist der „Königliche Weg“ des Yoga, der uns durch eine tiefgehende und strukturierte Praxis zu innerer Weisheit und spirituellem Wachstum führt. Der achtgliedrige Weg des Raja Yoga, wie er in den Yoga Sutras von Patanjali beschrieben wird, ist eine umfassende Anleitung zur inneren Transformation und Selbstverwirklichung. Jedes der acht Glieder – Yamas, Niyamas, Asanas, Pranayama, Pratyahara, Dharana, Dhyana und Samadhi – bildet einen entscheidenden Schritt auf diesem Weg.

Die Yoga Sutras von Patanjali sind ein fundamentaler Text der Yogatradition und gelten als Leitfaden zur spirituellen Praxis. Sie bieten einen klaren, strukturierten Pfad, der uns hilft, den Geist zu beruhigen, unsere wahre Natur zu erkennen und die Erleuchtung zu erfahren. Patanjali beschreibt in diesen Sutras acht Glieder des Raja Yoga, die die Grundlage jeder Yogapraxis bilden.

Die Sutras sind kurze, prägnante Verse, die tiefere spirituelle und philosophische Wahrheiten vermitteln. Jeder Vers öffnet die Tür zu tieferem Verständnis und praktischer Anwendung im Leben eines Yogapraktizierenden.

Strasse führt durch einen Wald. Strasse hat höhen und tiefen.

Die acht Glieder des Raja Yoga


1. Yama – Die ethischen Disziplinen im Umgang mit anderen

Die Yamas sind moralische Grundsätze, die sich auf unser Verhalten gegenüber anderen und der Welt im Allgemeinen beziehen. Sie sind wie ein ethischer Kompass, der uns hilft, harmonisch mit anderen zu leben und gleichzeitig unsere eigene spirituelle Entwicklung zu fördern. Es gibt fünf Yamas:

Ahimsa (Gewaltlosigkeit)

Ahimsa bedeutet mehr als nur körperliche Gewaltlosigkeit; es umfasst auch das Vermeiden von Gedanken, Worten und Handlungen, die anderen Schaden zufügen könnten. Es ist der Weg der liebevollen Güte und des Mitgefühls, sowohl für uns selbst als auch für alle Lebewesen.

ahiṁsā-pratiṣṭhāyaṁ tat-sannidhau vairatyāghaḥ “Wenn man im Nichtverletzen Bergündet ist, wird auch die Umgebung friedlich.”  (YS 2.35)

Reflexionsfragen:
  • In welchen Bereichen meines Lebens erlebe ich vielleicht noch Gewalt – sei es physisch, verbal oder mental?

  • Wie kann ich in meinem täglichen Leben mehr Mitgefühl und Freundlichkeit ausdrücken?

  • Wo kann ich Ahimsa noch mehr leben und jeden Tag zum Ausdruck brinegn?


Satya (Wahrhaftigkeit)

Satya fordert uns auf, die Wahrheit zu leben – nicht nur in unseren Worten, sondern auch in unseren Gedanken und Taten. Es geht darum, authentisch zu sein und uns nicht von Illusionen oder falschen Vorstellungen leiten zu lassen.

satya-pratiṣthāyaṁ kriyā-phala-āśrayatvam" “Ist man stabil in Wahhaftigkeit gegründet, wird jede Aussage die Wirklichkeit kreieren.” (YS 2.36)
Reflexionsfragen:
  • Wo habe ich in der Vergangenheit Kompromisse mit der Wahrheit gemacht?

  • Wie kann ich mehr Ehrlichkeit in meiner Kommunikation und meinem Leben integrieren?

  • Wo trage ich noch Masken und zeige mich nicht wahrhaftig?


Asteya (Nicht-Stehlen)

Asteya ist mehr als das Vermeiden von Diebstahl im physischen Sinne. Es fordert uns auf, uns nicht nur in materiellen Dingen, sondern auch in unserer Zeit und Energie anderen nicht zu berauben. Es geht darum, Respekt vor dem Besitz und der Zeit anderer zu haben und keine unangemessenen Erwartungen zu stellen.

asteya-pratiṣṭhāyāṁ sarvaratn-opasthānam "Wer fest in Nicht-Stehlen verwurzelt ist, dem offenbaren sich alle Schätze." (YS 2.37)
Reflexionsfragen:
  • Habe ich jemals Zeit oder Ressourcen von anderen ohne Anerkennung genommen? Wo nehme ich Ressourcen anderer unbewusst selbstverständlich in Anspruch?

  • Wie kann ich meinen eigenen Beitrag in Beziehungen und der Gesellschaft besser wertschätzen?


Brahmacharya (Enthaltsamkeit und Selbstbeherrschung)

Brahmacharya bedeutet nicht nur sexuelle Enthaltsamkeit, sondern auch die Kontrolle über unsere Sinne und die richtige Ausrichtung unserer Energie. Es geht darum, unsere Energien in gesunde Bahnen zu lenken und nicht zu verschwenden, insbesondere im Hinblick auf unsere physischen, emotionalen und mentalen Ressourcen.

brahma-carya pratiṣṭhāyāṁ vīrya-lābhaḥ "Wenn die sexuelle Kraft kontrolliert ist, wird kraftvolle Vitalität erlangt.” (YS 2.38)
Reflexionsfragen:
  • Wo verliere ich meine Energie in sinnlosen Aktivitäten oder Gedanken?

  • Wie kann ich bewusstere Entscheidungen treffen, um meine Lebensenergie sinnvoll zu nutzen?

  • Habe ich einen Vernünftigen Umgang mit Sexualität?


Aparigraha (Nicht-Gier und Nicht-Anhaften)

Aparigraha lehrt uns, dass wir nicht an Besitz, Menschen oder Erfahrungen klammern sollten. Es geht darum, mit dem, was wir haben, zufrieden zu sein und uns nicht von Gier oder Angst vor Verlust leiten zu lassen.

aparigraha-sthairye janma-kathaṁtā saṁbodhaḥ "Wer in Nicht-Greifen gefestigt ist, erkennt den Grund seiner Existenz." (YS 2.39)
Reflexionsfragen:
  • Welche Dinge oder Beziehungen in meinem Leben halte ich zu fest? Welche Beziehungen lassen mich nicht los?

  • Wie kann ich lernen, mehr im Moment zu leben und weniger zu erwarten oder zu besitzen?

  • Wo in meinem Leben habe ich bereits mehr als genug?

  • Wo erkenne ich Muster des Anhaftens an Menschen, Dinge, Umstände im Außen? Wie kann ich mich davon Stück für Stück lösen?


2. Niyama – Die enthischen Disziplinen im Umgang mit uns selbst

Hand mit Kristall, das das Auge der Person spiegelt, die den Kristall hält.

Die Niyamas sind persönliche Disziplinen, die uns dabei helfen, uns selbst zu transformieren und eine tiefere spirituelle Praxis zu entwickeln. Sie sind die inneren Prinzipien, die uns auf unserer Reise zu einem höheren Bewusstsein unterstützen. Es gibt fünf Niyamas:


Shaucha (Reinheit)

Shaucha bezieht sich nicht nur auf äußere Sauberkeit, sondern auch auf innere Reinheit. Es geht darum, den Körper, den Geist und die Emotionen zu reinigen, um Klarheit und Frieden zu erfahren.

śaucāt svāṅga-jugupsā parairasaṁsargaḥ "Durch die Reinigung von Körper und Geist entwickelt sich innerer Abstand zu unserem Körper und den anderen Menschen." (YS 2.40)
Reflexionsfragen:
  • Wie sauber und rein fühle ich mich in meinem Körper und Geist?

  • Welche Gewohnheiten könnte ich ablegen, die mein inneres Gleichgewicht stören?

  • Ernähre ich mich rein? Wie kann ich meinen Körper und Geist mit Nahrung noch besser unterstützen?

  • Welche Reinigungsrituale, z.B. Zunge reinigen, Körperbürste, Ölziehen..., helfen mir zu mehr körperlicher und geistiger Klarheit?

  • Wo füttere ich meinen Geist mit unschönen, überkritischen Gedanken?


Santosha (Zufriedenheit)

Santosha ist das Streben nach innerer Zufriedenheit und Akzeptanz – unabhängig von äußeren Umständen. Es bedeutet, sich mit dem, was ist, zufrieden zu geben und Dankbarkeit für den Moment zu empfinden.

saṁtoṣāt-anuttamas-sukhalābhaḥ "Zufriedenheit bewirkt höchste Freude." (YS 2.42)
Reflexionsfragen:
  • Wie oft fühle ich mich unzufrieden oder in Unruhe über das, was ich habe?

  • Welche Praktiken helfen mir, Zufriedenheit in meinem Leben zu kultivieren?

  • Was ist bereits in meinem Leben alles da, wofür ich dankbar bin?

  • Kann ein "es ist okay" gut genug sein?

  • Kann es okay sein, wenn etwas für den Moment nicht okay ist?


Tapas (Disziplin und Hingabe)

Tapas ist die innere Feuerkraft, die uns antreibt, unsere Ziele zu erreichen und unseren spirituellen Weg mit Hingabe zu gehen. Es bedeutet, Herausforderungen anzunehmen und aus ihnen zu wachsen.

kāyendriya-siddhir-aśuddhi-kṣayāt tapasaḥ “Durch Selbstdisziplin wird Unreinheit aufgelöst und man erlangt Kräfte über Körper und Sinne.” (YS 2.43)
Reflexionsfragen:
  • Wo kann ich mehr Disziplin und Hingabe in meiner Praxis und meinem Leben zeigen?

  • Welche Hindernisse hindern mich daran, mit voller Kraft voranzuschreiten?

  • Wie kann ich mein Alltag so strukturieren, dass es mir leichter fällt diszipliniert zu bleiben?


Svadhyaya (Selbststudium und Reflexion)

Svadhyaya bedeutet, sich selbst und das eigene Verhalten zu studieren. Es beinhaltet das Lesen spiritueller Texte, das Reflektieren über das eigene Leben und das Streben nach Selbstkenntnis.

svādhyāyād-iṣṭa-devatā saṁprayogaḥ "Selbsterforschung führt zum inneren Licht." (YS 2.44)
Reflexionsfragen:
  • Wie regelmäßig nehme ich mir Zeit für Selbstreflexion und spirituelles Wachstum?

  • Hinterfrage ich meine Worte, Handlungen und Gedanken regelmäßig?

  • Welche Erkenntnisse habe ich über mich selbst gewonnen, die mich in meiner Praxis voranbringen?

  • Erlaube ich mir, mir selbst und meinen Bedürfnissen zuzuhören? Mir selbst zu begegnen?

  • Möchte ich den nächsten Roman vielleicht mal durch einen spirituellen Text eintasuchen?


Ishvara Pranidhana (Hingabe an das Göttliche)

Ishvara Pranidhana fordert uns auf, unser Ego loszulassen und uns dem höheren Willen oder dem Göttlichen hinzugeben. Es ist die Praxis, in Demut und Vertrauen zu leben und uns nicht von unserem persönlichen Willen leiten zu lassen.

samādhi siddhiḥ-īśvarapraṇidhānāt "Totale Hingabe an die Quelle, aus der wir kommen, führt zur vollkommenen Erkenntnis." (YS 2.45)
Reflexionsfragen:
  • Wie kann ich mehr Vertrauen in das Göttliche oder in die größere Ordnung des Universums entwickeln?

  • Wo kann ich mehr Hingabe in meine tägliche Praxis einfließen lassen?

  • Wo bin ich im Widerstand oder Groll mit dem Leben? Kann ich diesen Widerstand in Vertrauen umwandeln, dass alles einen Sinn hat?


3. Asana – Körperhaltungen

Asanas sind die körperlichen Übungen des Yoga, die den Körper stärken, dehnen und auf die Meditation vorbereiten. Asanas sind nicht nur physische Übungen, sondern eine Praxis, die den Körper stabil und gleichzeitig entspannt hält. Sie bereiten uns auf längere Meditationssitzungen vor, indem sie den Körper stärken und energetisieren.

sthira-sukham-āsanam "Die ideale Haltung ist stabil und leicht zugleich." (YS 2.46)
Reflexionsfrage:
  • Wie fühlt sich mein Körper in den Asanas an?

  • Bin ich in der Lage, meine Praxis mit Achtsamkeit und Ruhe auszuführen?

  • Kann ich in der Anstrengung eine innere Haltung von Leichtigkeit einladen?

  • Ist es mir möglich auch in herausfordernden Situationen, meine Leichtigkeit nicht zu verlieren?


4. Pranayama – Atemkontrolle

Pranayama ist die Kunst der Atemkontrolle. Pranayama umfasst verschiedene Atemtechniken, die den Fluss von Lebensenergie (Prana) im Körper regulieren. Durch bewusstes Atmen können wir den Geist beruhigen und das Bewusstsein erweitern.

tasmin sati śvāsa-praśvāsyor-gati-vicchedaḥ prāṇāyāmaḥ "Dann kommt die Beherrschung der Lebensenergie über Einatmung, Ausatmung und den Zwischenraum." (YS 2.49)
Reflexionsfrage:
  • Wie verändert sich mein Geist, wenn ich bewusst atme?

  • Wie fühlt sich mein Atem heute an? Wie fließt mein Atem?

  • Welche Atemtechniken tun mir gut? Wie fühle ich mich während und nach den jeweiligen Atemtechniken?


5. Pratyahara – Das Zurückziehen der Sinne

Pratyahara ist das Zurückziehen der Sinne von den äußeren Reizen und die Ausrichtung des Bewusstseins nach innen. Pratyahara ermöglicht es, uns von der Ablenkung der äußeren Welt zu lösen und unsere Aufmerksamkeit nach innen zu lenken. Es ist ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu tieferer Meditation.

svaviṣaya-asaṁprayoge cittasya svarūpānukāra-iv-endriyāṇāṁ pratyāhāraḥ "Pratyahara ist wenn sich die Sinnesorgane von den Objekten der äußeren Welt zurückziehen und gewissermaßen die Natur des Bewusstseins nachahmen." (YS 2.54)
Reflexionsfrage:
  • Wie oft lasse ich mich von äußeren Ablenkungen stören?

  • Wie kann ich mehr Momente der inneren Ruhe schaffen?

  • Wie fühle ich mich, wenn ich mit meinem Bewusstsein ganz bei mir bin?

  • Kann ich mehr mir selbst und weniger dem Lärm im Außen lauschen?


6. Dharana – Konzentration

Dharana ist der Schritt der geistigen Konzentration. Es ist der Beginn der Meditation, bei dem der Geist auf ein einziges Objekt (z. B. den Atem oder ein Mantra) fokussiert wird.

deśa-bandhaḥ cittasya dhāraṇā "Dharana ist das Fixieren des Geistes auf einen einzelnen Punkt." (YS 3.1)
Reflexionsfrage:
  • Wie fühlt sich meine Konzentration an?

  • Bin ich in der Lage, mich auf ein einziges Objekt zu fokussieren?

  • Wie fühle ich mich nachdem ich mich eine Weile auf nur eine Sache fokussiert habe?


7. Dhyana – Meditation

Dhyana ist der Zustand der tiefen Meditation, in dem der Geist ruhig und unbewegt ist. In Dhyana verschmilzt die Konzentration mit dem meditierten Objekt. Es ist ein Zustand völliger Stille und Achtsamkeit, in dem der Geist in Einklang mit dem Universum kommt.

tatra pratyaya-ikatānatā dhyānam "Meditation ist das ununterbrochene Fließen des Bewusstseins in Richtung des ihm präsentierten Objekts" (YS 3.2)
Reflexionsfrage:
  • Wie kann ich meine Meditation vertiefen?

  • Was hindert mich daran, in einen Zustand der tiefen Meditation zu gelangen?

  • Gelingt es mir die Phasen zu verlängern, in denen mein Geist ungestört bei meinem Meditationsobjekt bleibt?


8. Samadhi – Der Zustand der Erleuchtung

Samadhi ist der höchste Zustand der Erleuchtung, in dem der Praktizierende das wahre Selbst erkennt. Samadhi ist der Zustand der vollkommenen Erleuchtung und das Ziel des Raja Yoga. Hier gibt es keine Trennung mehr zwischen dem Selbst und dem Universum.

tadeva-artha-mātra-nirbhāsaṁ svarūpa-śūnyam-iva-samādhiḥ "Samadhi ist, wenn das Objekt allein noch in seiner Essenz erscheint, so als wäre es ohne Form." (YS 3.3)
Reflexionsfrage:
  • Was bedeutet Erleuchtung für mich?

  • Wie kann ich mich auf den Weg der Selbstverwirklichung einlassen?


Fazit: Der Weg des Raja Yoga

Gerade flache Strasse durch Wald.

Der achtgliedrige Weg des Raja Yoga ist ein vollständiger, holistischer Ansatz zur spirituellen Entwicklung. Durch die Praxis der Yamas, Niyamas, Asanas, Pranayama, Pratyahara, Dharana, Dhyana und Samadhi wird der Praktizierende in einen Zustand innerer Klarheit und Einheit geführt.

Indem du diesen Weg mit Hingabe und Geduld gehst, wirst du nicht nur körperliche Gesundheit und geistige Klarheit erfahren, sondern auch die tiefste Wahrheit über dich selbst erkennen. Die Yamas und Niyamas bieten dabei ganz besonders einen klaren ethischen und praktischen Rahmen als Fundament, um unseren inneren Frieden und unsere spirituelle Entwicklung zu fördern. Sie erinnern uns daran, dass der Weg zu echter Weisheit und Freiheit nicht nur durch äußere Praxis, sondern auch durch inneres Wachstum und Disziplin geführt wird.

Indem du diese Prinzipien in dein tägliches Leben integrierst, beginnst du, deine eigene Natur besser zu verstehen und einen klareren, friedlicheren Zustand des Seins zu erreichen.



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