Bhagavad Gita: Finde deinen eigenen Weg
- Lisa Tichy
- 15. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Juli
In der Yoga Philosophie gehört die Bhagavad Gītā zu den wertvollsten spirituellen Schriften überhaupt. Sie verbindet uralte Weisheit mit praktischen Impulsen für unser heutiges Leben und inspiriert damit viele Yogaübende, Lehrer:innen und Yogaphilosophie-Interessierte weltweit.
In Kapitel 3, Vers 35 und Kapitel 18, Vers 47 der Bhagavad Gītā findet sich eine besonders kraftvolle Botschaft:
„Es ist besser, den eigenen Weg zu gehen, selbst wenn er nur durchschnittlich erfolgreich ist, als den Weg eines anderen perfekt zu meistern.“
Diese Worte laden uns ein, unsere Individualität zu ehren. Sie erinnern uns daran, dass das Streben nach äußerer Anerkennung, nach gesellschaftlicher Norm oder nach fremden Zielen uns von unserer wahren Bestimmung (Dharma), unserem eigenen individuellen Weg, ablenken kann. Gerade in einer Welt, die so sehr auf Vergleich und Optimierung ausgerichtet ist, dürfen wir diese Verse als wichtige Erinnerung verstehen: einen Ruf zurück zu unserem Wesenskern.

Dem eigenen Weg folgen
Die Bhagavad Gītā beschreibt mit dem Konzept svadharma (die eigene Pflicht, der eigene individuelle Weg) etwas tief Existenzielles. Dein svadharma ist mehr als ein Job oder eine Rolle – es ist der Ausdruck deiner Seele, deiner einzigartigen Gaben und Werte. Der Grund warum du hier auf der Welt bist.
Wenn du diesem eigenen Weg folgst, kann es sein, dass du an Grenzen stößt, Zweifel spürst oder Fehler machst. Doch diese Erfahrungen sind wichtig, weil sie dich authentisch wachsen lassen. Ein fremder Weg mag sicherer erscheinen oder äußerlich erfolgreicher wirken, aber er bleibt immer ein Fremdkörper in deinem Inneren.
Im Yoga bedeutet das auch, dass du dich nicht unter Druck setzen musst, wie andere zu praktizieren oder zu leben. Dein Yoga darf so sein, wie es zu deinem Körper, deinem Geist und deiner Lebensphase passt.
Deinem Weg zu folgen bedeutet auch, den Mut zu haben, dich gegen Erwartungen zu stellen, gegen Glaubenssätze, die dir sagen, was „normal“ oder „erfolgreich“ ist. Du darfst immer wieder prüfen: Passt das noch zu mir? Oder lebe ich gerade einen Traum, der eigentlich gar nicht meiner ist?
Für dich selbst losgehen
Viele Menschen warten darauf, dass jemand ihnen sagt: „Du darfst jetzt starten. Das ist richtig und das falsch“ Doch das Leben wird niemals jemanden schicken, der dir alle Sicherheit garantiert. Die Bhagavad Gītā ermutigt uns, selbst den ersten Schritt zu gehen.
Für dich selbst loszugehen heißt, Verantwortung für dein Handeln und dein Leben zu übernehmen. Das kann bedeuten, einen Job zu kündigen, der dir nicht entspricht, oder eine Beziehung zu verlassen, die dich nicht nährt. Es kann bedeuten, ein Herzensprojekt anzugehen oder endlich deine eigene Wahrheit zu sprechen.
Auch auf der Matte ist es nicht entscheidend, ob deine Asana perfekt aussieht oder genau dem entspricht wie deine Lehrerin oder Mattennachbarin die Haltung einnimmt Entscheidend ist, dass du den Weg auf deine Matte findest — für dich, für deinen Körper und letztlich ohne Anhaftung an ein bestimmtes Bild.
Gesellschaftlichen Druck hinterfragen
Die Verse warnen davor, den fremden Weg (para-dharma) zu gehen. Fremder Weg bedeutet, dass du ein Leben lebst, das nicht aus deinem Inneren heraus geboren wurde. Vielleicht machst du Dinge nur, weil „man das eben so macht“. Vielleicht, weil du gefallen willst oder Angst hast, ausgeschlossen zu werden oder auf irgendeine Weise zu scheitern, wenn du nicht den vorgezeichneten, sondern deinen eigenen, bisher unerforschten Weg wählst.
Hier dürfen wir ganz ehrlich hinschauen:
Wem will ich gerade etwas beweisen?
Was ist der wahre Grund für mein Handeln?
Würde ich dieselbe Entscheidung treffen, wenn niemand zusieht? Wie sieht mein Handeln aus, wenn es nicht an eine Erwartung im Außen angelehnt ist?
Wie würde ich handeln, wenn ich sicher wüsste, dass es gelingt?
Oft merken wir erst, wie stark wir uns anpassen, wenn wir diese oder ähnliche Fragen zulassen.
Die eigene Form in der Asana-Praxis annehmen
Gerade auf der Yogamatte zeigt sich dieses Thema wunderbar. Häufig sind wir geprägt von Bildern: perfekte Instagram-Posen, Lehrer:innen mit scheinbar mühelosen Körperhaltungen. Daraus entsteht ein subtiler Leistungsdruck, auch unsere Asanas „perfekt“ machen zu müssen.
Doch genau hier darf svadharma geübt werden. Deine Asana wird immer deine Anatomie, deine Geschichte, deine Tagesform widerspiegeln. Vielleicht sieht dein Krieger II nicht aus wie im Buch – no problem.
Die Yogapraxis lädt dich ein, die Form zu akzeptieren, die sich heute für dich stimmig anfühlt. Nicht die Pose selbst ist das Ziel, sondern die innere Haltung, mit der du sie übst.
Wie würde es sich anfühlen, wenn es für dich völlig okay wäre die Asana heute so zu üben, wie du sie übst? Wie würde es sich anfühlen dir zu erlauben, deine ganz individuelle Form darin zu finden?

Mut zur Unvollkommenheit laut Bhagavad Gita
„Lieber unvollkommen dem eigenen Weg folgen als perfekt einen fremden Weg zu gehen“, sagt Krishna zu Arjuna. Das können wir als Einladung verstehen, nicht ständig zu perfektionieren und zu vergleichen.
Unvollkommenheit bedeutet nicht, gleichgültig zu sein. Sondern es bedeutet, dass du deine Energie nicht verschwendest, dich in eine fremde Form zu pressen. Authentizität wiegt schwerer als gesellschaftliche Perfektion.
Die Bhagavad Gita schenkt uns den Mut, unvollkommen und dafür pur und wahrhaftig zu sein. Authentizität wiegt mehr als Perfektion. Das gilt im Leben, im Yoga, in jeder Asana und in jeder Meditation.
Besser stolpernd deinem Herzen folgen, als perfekt eine Maske zu tragen. Besser ein unsauberer Sonnengruß, der mit Liebe ausgeführt wird, als eine technisch perfekte Abfolge ohne Seele.
Fazit: Du bist dein eigener Weg
In einer Welt voller Vorbilder, Erwartungen und äußeren Maßstäben erinnert uns die Bhagavad Gītā daran: Du bist nicht hier, um jemand anderes zu sein. Du bist hier, um dein Licht auf deine Weise leuchten zu lassen — auch wenn es manchmal leise, unvollkommen oder ungewöhnlich erscheint.
Yoga ist kein Wettbewerb. Yoga ist keine Perfektion. Yoga ist der Weg der Verbundenheit und der Begegnung mit dir selbst, deinem Herzen, deiner Essenz.
Wenn du beginnst, deine Praxis, dein Leben und deine Entscheidungen nicht mehr nach dem Außen auszurichten, sondern nach deinem inneren Kompass, dann entsteht Freiheit. Geh deinen Weg. Spüre ihn. Vertraue ihm. Auch wenn er holprig ist – er ist deiner!